Der Berliner
Mauerstreifen im Wandel der Zeit
Bennet Schulte und Jürgen Schweikart
FB III / Labor für Geodatenanalyse und Visualisierung
Abstract
deutsch (500 Zeichen mit Leerzeichen)
Die
Mauer war bis 1989 das längste Bauwerk Berlins und ist heute im Stadtbild fast
vollständig verschwunden. Im Kontext der Weltgeschichte weiterhin präsent,
suchen viele nach Spuren: Besucher genauso wie die Berliner selbst. Dieses
Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Situation von 1989 virtuell zu
konservieren und mit der aktuellen Situation visuell vergleichbar zu machen.
Dies wird mithilfe der Google Dienste Maps, Earth und
Street View für eine breite Anwendergruppe erreicht.
Abstract
englisch (500 Zeichen mit Leerzeichen)
Not only is the Berlin Wall interesting for
tourists but it is also of general interest because of its function as a
disappeared historic structure in the context of the history of the world. In
order to compare the actual status of the former death strip with 1989 unique data
was collected. A didactic and freely accessible online application was created.
The data can be visualised using the Google services Maps, Earth and Street
View. The collected data of 1989 and 2009 was visualised in order to reach a
wider audience.
1.
Einleitung
Der
Verlauf der Mauer ist heute nur noch an wenigen Stellen des ehemaligen Grenz-
und Sperrgebietes der DDR um das ehemalige Berlin (West) erkennbar. Das
Forschungsprojekt will diesen nachvollziehbar machen und es ermöglichen, die
Situation Ende der 80er Jahre mit der heutigen zu vergleichen. Mit der größten Nutzergruppe,
außergewöhnlichen Webdiensten und Geodaten sowie dem
größten Entwicklerteam auf dem Markt boten sich Lösungen auf Google-Basis als
Plattform für das Forschungsprojekt an [Ree 11]. Sie sind zwar proprietär, aber
verfügen über eine umfangreiche Programmierschnittstelle (API), performante Geodaten, sind kostenlos, nahezu ausfallsicher und werden
ständig weiterentwickelt.
2.
Beschreibung des Forschungsgegenstands und Ziels
Gegenstand
der Forschung ist der Streifen der DDR-Grenzbefestigung um den Westteil Berlins
der von 1961 bis 1989 bestand. Der sogenannte Berliner Mauerstreifen verlief
auf dem Hoheitsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik, der bis 1949
sowjetisch besetzten Zone, sowie im sowjetischen Sektor an der Grenze zu den
Berliner Sektoren der Westalliierten. Er verlief daher nicht nur durch Berlin,
sondern auch um den westlichen Teil der Stadt (vgl. Abb. 1). Innerhalb des
Forschungsprojektes wurde berechnet, dass das Grenzsystem eine Fläche von ca.
60 km² hatte. Forschungsziel war das Sammeln von Bild-, Geo- und Sachdaten, um
den Zustand 1988/89 und 2009/10 aufzuarbeiten, zu konservieren und zu
visualisieren. Durch einen weiteren Zeitschnitt, z. B. im Jahr 2029/30,
könnte außerdem ein City-Monitoring des Arbeitsgebietes erstellt werden.
Es
ist ein Ziel, dass ein möglichst großes Publikum kostenfrei über die gesammelten
Daten verfügen kann. Zu diesem Zweck wurde eine didaktisch und touristisch
aufgearbeitete Onlineanwendung auf Basis der Google Dienste Maps,
Earth und Street View kreiert. Diese Technologie gestattet dreidimensionale
Visualisierungen auf dem digitalen Globus Google Earth (vgl. Abb. 1), der in
der kostenfreien Desktopapplikation zusätzlich mit Street View (vgl. Abb. 2) verfügbar
ist. Als Browser-Plug-in erlaubt Earth 3D im Webbrowser, den freien Wechsel zum
2D-Kartendienstes Maps, und ist damit weitgehend
unabhängig vom Betriebssystem auch auf mobilen Endgeräten verfügbar. Zudem können
relativ aktuelle Geodaten in Form von Luft- und
Satellitenbildern (2006), Straßendaten (2006), 360° Straßenpanoramen (2008),
3D-Stadtmodellen (2010) usw. sowie eine API von Google entgeltfrei verwendet
werden. Mit Hilfe dieser API wurden die gesammelten Geodaten in eine steuerbare Anwendung implementiert und mit Google Geodaten verschnitten. Die implementierten Daten umfassten 1989er Luftbilder des
Mauerstreifens, Bodenvergleichsfotos von 1988/89 und 2009/10, ein detailliertes
3D-Modell des Grenzsystems von 1989, Geodaten über
die administrative Entwicklung Berlins, den Verlauf des heutigen Berliner
Mauerweges, Informationen und Lage von Museen und Gedenkstätten aus der
Datenbank der Gedenkstätte Berliner Mauer sowie die verorteten 136 Opfer der
Berliner Mauer samt ihrer Geschichte. Diese Informationen unterstützen den
didaktischen Nutzen und sollen Wissen mit modernen Onlinediensten vermitteln, konservieren
und präsentieren. Innerhalb des Forschungszeitraums lagen wichtige Jährungen in
Zusammenhang mit der Berliner Mauer. 2009 wurde das 20-jähige Jubiläum des
Mauerfalls 1989 und 2010 das der Wiedervereinigung 1990 begangen. 2011 jährte
sich der Mauerbau 1961 zum 50-igsten Mal.
Abbildung
1- Google Earth – Mauer um Berlin (West) (Für Druck farblich angepasst)
3.
Kooperation/Präsentation/Fortbildung
Das Unternehmen 3D RealityMaps aus
Potsdam ist Experte beim Modellieren von 3D-Modellen und Verwenden von Luftbildprodukten
und unterstützte das Projekt mit seinem Wissen. Trotz eines Angebots des
Unternehmens wurde ausschließlich der Arbeitsplatz in der Hochschule verwendet.
Die Treffen fanden in Potsdam statt. Die Kommunikation erfolgte vorwiegend per
E-Mail oder Telefon.
Das Projekt wurde 2010 auf der AGIT (Symposium und
Fachmesse angewandte Geoinformatik) der Universität Salzburg vorgestellt und
errang beim Posterwettbewerb den vierten Platz.
Dasselbe Poster wurde auf dem 58. Deutschen Kartographentag 2010 präsentiert. Auf dem 48. Deutschen Historikertag 2010 zum Thema „Über
Grenzen“ konnten weitere Erkenntnisse gewonnen und Kontakte zu Historikern hergestellt
werden. Zudem wurde das Projekt mehrfach an der Beuth Hochschule präsentiert,
unter anderem zum Hochschultag, dem Tag der offenen Tür, im Rahmen der Berichte
der Forschungsprojekte und weiteren Veranstaltungen für Interessierte. Dabei
wurde der didaktische Nutzen an einer Schulklasse erfolgreich erprobt. Die
Schüler durften die Anwendung frei nutzen und selbst entdecken. Ihnen wurde ein
Bogen mit Fragen zu bestimmten Fakten der Berliner Mauer beigegeben den es
auszufüllen galt. Alle Schüler waren in der Lage, die Fragen durch die Nutzung
der Anwendung richtig zu beantworten.
4.
Genese der Forschungsprojektes
Die
Basisidee des Forschungsprojektes entstand Ende 2005, als die erste
veröffentlichte Beta Version von Google Earth getestet wurde. Auf den
Luftbildern Berlins zeigten sich sichtbare Spuren in der Siedlungsstruktur, die
auf den Mauerstreifen zurückzuführen waren. Mit dieser Erkenntnis wurde bereits
damals begonnen den ehemaligen Verlauf der primären Vorder- und Hinterlandsperren mit Hilfe des Polyline-Werkzeugs
zu digitalisieren. Ende 2007 wurde ein Projektantrag ausgearbeitet. Die Arbeit
begann Anfang September 2009 und dauerte bis Ende Februar 2011. In der
Zwischenzeit erschien mit dem Google Earth Browser Plug-in Mitte 2008 eine
Möglichkeit die Daten dreidimensional im Webbrowser zu präsentieren. Durch
Street View eröffnete sich Ende 2010 eine weitere räumliche Dimension. Da die
360° Straßenpanoramen über eine interne 3D-Oberfläche verfügen wurde es möglich,
die 3D-Mauer innerhalb echter 360°Panoramen zu visualisieren.
Während
der Laufzeit des Projektes veränderten sich die technischen Möglichkeiten. Die
sich daraus ergebenden Chancen wurden ergriffen, indem die Projektziele stetig
angepasst und um neue Plattformen erweitert wurden.
5.
Elemente des Projektes
5.1
Vergleichsbilder
1084
Panoramen, die die Grenztruppen der DDR 1988 und 1989 entlang des Kolonnenweges
des gesamten Mauerstreifens aus ca. 10 Metern Höhe aufgenommen hatten, sowie
die Karte der Grenztruppe 1:5000 aus dem Jahr 1986 wurden durch das »Berliner Mauer-Archiv Hagen Koch« zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des
Projektes war es nicht möglich für alle 1084 Aufnahmen Vergleichsfotos
herzustellen. Es wurden 156 Standorte gewählt. Die Auswahl verfolgte das Ziel,
den Mauerstreifen in regelmäßigen Abständen in Fotos abzubilden bei
gleichzeitig relevantem oder ansprechendem Bildinhalt. Dadurch häufen sich die
Bilder in der Innenstadt. Die Mauer in den siedlungsschwachen Randgebieten
erwies sich eher als monoton. Hier verlief der Mauerstreifen über lange
Strecken zwischen Feldern oder durch Wälder. Insgesamt wurden mit Unterstützung
von Freunden und Kollegen bei 14 Touren rund 800 km in und um Berlin
zurückgelegt und 2200 Fotos gemacht. Höhepunkt der Feldarbeit war die
genehmigte Aufnahme von Vergleichsbildern vom Dach des Brandenburger Tores. Mittels
Adobe Photoshop wurden die Fotos nachbereitet. Die originalen Aufnahmen wurden von
Staub, Kratzern oder Haaren befreit. Die Auflösung und Graustufen wurden digital
verbessert und weboptimiert als JPG-Dateien mit einer Auflösung von 500x250
Pixeln und einer Dateigröße von ca. 55 Kilobyte gespeichert. Für jeden Standort
wurde dann eine KML-Datei erstellt, die die Koordinaten der Fotos, die
dreidimensionale Kameraposition sowie einen geographischen Namen und die
Blickrichtung beinhaltete. Die Kameraposition dient in Google Earth dazu, bei
einem Doppelklick in die genaue Position der Aufnahme im virtuellen Raum zu
schwenken (vgl. Abb. 2). Die 156 KML-Dateien wurden abschließend in eine Datei
überführt.
Abbildung 2- Street View mit
Vergleichsfotos
5.2
Luftbilder
Ein
weiteres wichtiges Element bilden die Luftbilder eines Bildflugs vom April 1989
über Berlin (West). Diese Graustufen-Aufnahmen wurden durch die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zugänglich gemacht (vgl. Abb. 4 und 5). Es
wurden alle Bilder ausgewählt, die den Mauerstreifen abdecken, sodass sie die
technisch notwendige Mindestüberlappung erfüllen (vgl. Tab. 1).
Die
Bilder zu verarbeiten war eine Herausforderung: Der Bildflug wies keinen stabilen Kurs auf, wodurch der Aufnahmewinkel häufig verkippte und sich die Bilder zum Teil nur um 10% überdeckten.
Dadurch konnten nur wenige Verknüpfungspunkte zu Nachbarbildern verwendet
werden. Für das Mosaikieren kam erschwerend hinzu,
dass es sich nicht um einen kompakten Bildblock handelte, sondern um einen „Bildring“ mit etwa drei Kilometern Breite, der um einen 15
mal 21 Kilometer großen Freiraum angeordnet war. Mit Hilfe der ArcGIS Extension „Arc2Earth 3“ konnten hochaufgelöste
Fernerkundungsprodukte von Google zum Georeferenzieren verwendet werden. Es
wurden vom Aufnahmewinkel unabhängige und stabile Verknüpfungspunkte in
Bodennähe in den Luftbildern gewählt. Besonders Kreuzungen, Zäune und Gewässer wurden
auf ihre Lagestabilität der letzten 17 Jahre überprüft und verwendet. Der
Vorteil der Google Daten als Referenz lag darin, dass diese zugleich einen Teil
des Zielproduktes darstellen.
Für
den Außenbereich wurden 70 Luftbilder in ERDAS Imagine mosaikiert. Damit die insgesamt 15 Gigabyte großen
Luftbilder über das Internet übertragen werden können, wurde die Dateigröße
massiv reduziert. Erreicht wurde dies durch Umwandeln der Daten in sogenannte „TileLayer“. Hierbei werden große Rasterdaten in
verschiedene Auslösungsstufen zerlegt und für diese eine Kachelstruktur aus
sehr vielen kleinen Rasterdateien erzeugt (vgl. Abb. 3). Es werden immer nur
Kacheln übertragen, die notwendig sind, um den Ausschnitt in der Zoomstufe darzustellen,
der vom Nutzer betrachtet wird [Pur 07] [Sam 10]. Mit Hilfe der OpenSource Software „MapTiler 1.0“
wurden 12 Auflösungsstufen erzeugt und diese, jeweils in Abhängigkeit von der
Stufe in 2 - 2.000.000 PNG-Dateien zerlegt, die jeweils eine Auflösung von
256 x 256 Pixel aufweisen. Dazu wurden steuernde KML-Dateien in
gleicher Anzahl erzeugt. Insgesamt wurden während einer Rechenzeit von je 96
Stunden pro Mosaik jeweils bis zu 4 Millionen Dateien mit einer Gesamtgröße von
25 Gigabyte erzeugt. Auf Grund der enormen Anzahl der Dateien dauerte der
Transfer mittels FTP-Client zum Webserver mehrere Tage.
Abbildung
3 - TileLayer Funktion
Gebiet
|
Abdeckung
|
Berlin
(West)
|
169 km² (48,0%)
|
Berlin
(Ost)
|
62 km² (17,5%)
|
DDR/Berlin
|
4,5 km² (1,3%)
|
DDR/Brandenburg
|
119 km² (33,7%)
|
Gesamt
|
354 km² (100%)
|
Tabelle
1 - Abdeckung und Anteil der 1989er Luftbilder (Quelle: eigene Analyse auf
Grundlage des erstellten Geoinformationssystems)
5.3
Mauermodell
Ziel
ist es, ein hochdetailliertes 3D-Modell der Berliner Mauer zu erstellen. Dazu
sind zwei grundsätzliche Fragen zu beantworten. Erstens, welches
Koordinatensystem ist zu benutzen und zweitens, welche Basisdaten können als
Grundlage für ein Modell herangezogen werden, wenn das Bauwerk in großen Teilen
selbst den Grenztruppen gegenüber geheim gehalten wurde?
In
Berlin wird in kataster- bzw. vermessungstechnischer Hinsicht das Soldner-Koordinatensystem (Netz 88) genutzt. Jedoch war es
wichtiger, das Koordinatensystem im Hinblick auf das Endprodukt, nämlich
Googles System, auszuwählen. Google verwendet eine Mercator Projektion mit
WGS84 Koordinaten. Dieses System wurde übernommen. Sowohl die Geometrie der Mauer,
als auch die Luftbilder von 1989 wurden anhand den von Google genutzten
Luftbildern georeferenziert. Es ist davon auszugehen, dass sie eine variierende
und teilweise von der amtlichen Vermessung des Landes Berlin abweichende
Lagegenauigkeit besitzen. Dies musste für das Modell in Kauf genommen werden,
führt jedoch im Vergleich zu den amtlichen Geodaten des Landes Berlin zu Lageabweichungen.
Es
überrascht nicht, dass der genaue Aufbau des Mauersystems selbst den
Grenztruppen nicht vollständig enthüllt wurde. Im Jahr des Mauerbaus 1961 waren
alleine in die Westberliner Exklave Steinstücken über 20 DDR-Grenzsoldaten geflüchtet.
Unter den 136 Maueropfern waren auch Grenzsoldaten die von flüchtenden
Kameraden erschossen wurden [Ged 10]. Selbst die als
geheim geltende Karte der Grenztruppen der DDR im Maßstab 1:5000 war unpräzise.
Dazu kommt, dass alle verfügbaren Versionen des Kartenwerks den Stand von 1986
aufwiesen. Durch Gebietstausche im Jahr 1988 und Modernisierung, z.B. dem Austausch
der Wachtürme, hatten sich nach den Erkenntnissen im Forschungsprojekt sowohl
Anzahl, Position wie auch der Grenzverlauf bis 1989 verändert.
Der
Senat von Berlin verfügt zwar bereits über ein amtliches Mauermodell, dieses
zeigte jedoch im Detailgrad Schwächen. Da das Modell zum damaligen und heutigen
Luftbild passen muss wurde ein neues erstellt. Die neue Geometrie entspricht dem
realen Verlauf der Sperranlagen und ist nicht generalisiert. Statt
abstrahierter Daten in Form von Karten oder Zahlen dienten historische
Luftbilder und Bodenfotos als Grundlagen. Diese Fotografien bildeten die
Realität ab und sind verlässlich. Die Karte der Grenztruppen wurde beim
Abgleich der Bilder und dem Erfassen nicht sichtbarer Grenzen, wie dem
Sperrgebiet, verwendet (vgl. Tab. 2).
Alle
Sperrelemente wurden auf der Grundlage der historischen Luftbilder mit ArcGIS digitalisiert und die Art der Anlage mit Hilfe der
Bodenbilder und Karten bestimmt. Es wurden Vorder- und Hinterlandmauern bzw. -zäune, elektrische Signalzäune, Hundezwinger sowie zusätzliche Vorder-
und Hinterlandbefestigungen erfasst (vgl. Tab. 3). Von
den 266 identifizierten Wachtürmen wurden 243 anhand der Bodenfotos, oder ihres
Schattenwurfs, den drei bekannten Typen zugeordnet. Diese Typen sind Führungsstellen,
Beobachtungsturm Typ-11 (BT-11) und die diesen ab 1975 ersetzenden des
Typs-9 (BT-9). Nicht
zuordenbar waren 23, darunter Türme an Wasserkontrollpunkten, auf dem Speicher
an der Oberbaumbrücke und versteckte in den Häusern an der Schwedter Straße (vgl.
Tab. 4). Obwohl viele Bahnlinien das Grenzgebiet passierten, wurden lediglich
die Transittunnel der S2, U6 und U8, die gesondert bewacht wurden, aufgenommen.
Insgesamt wurden Elemente mit einer Länge von zirka 1000 km erfasst (vgl. Tab.
3).
Art
|
Berlin
(Ost) Fläche in km²
|
DDR/Berlin
Fläche in km²
|
DDR/Brandenburg
Fläche in km²
|
Gesamtfläche
in km²
|
Hinterlandsperrgebiet
|
3,63 (49%)
|
0,73 (74%)
|
41,30 (67%)
|
45,66 (66%)
|
Todesstreifen
|
3,00 (40%)
|
0,21 (21%)
|
11,25 (18%)
|
14,46 (21%)
|
Vorderland
|
0,81 (11%)
|
0,05 (5%)
|
8,65 (14%)
|
9,51 (14%)
|
Gesamt
|
7,44 (100%)
|
0,99 (100%)
|
61,20 (100%)
|
69,63 (100%)
|
Tabelle
2 - Flächen des Mauermodells (Quelle: eigene Analyse auf Grundlage des
erstellten Geoinformationssystems)
Art
|
Berlin (Ost) Länge in km
|
DDR/Berlin Länge in km
|
DDR/Brandenburg Länge in km
|
Gesamtlänge in km
|
Vorderlandsicherungsmauer
|
37,54 (33%)
|
3,82 (3%)
|
73,70 (64%)
|
115,06 (100%)
|
Vorderlandsicherungsmauer XXL
|
0,16 (100%)
|
-
|
-
|
0,16 (100%)
|
Vorderlandsicherungszaun
|
13,09 (30%)
|
0,29 (1%)
|
29,77 (69%)
|
43,15 (100%)
|
Z. Vorderlandsicherungsmauer
|
3,34 (48%)
|
-
|
3,59 (52%)
|
6,93 (100%)
|
Z. Vorderlandsicherungszaun
|
1,94 (17%)
|
-
|
9,20 (83%)
|
11,14 (100%)
|
Hinterlandsicherungsmauer
|
45,58 (48%)
|
4,45 (5%)
|
43,87 (47%)
|
93,9 (100%)
|
Hinterlandsicherungszaun
|
0,01 (0,01%)
|
2,15 (2,6%)
|
80,44 (97,39%)
|
82,6 (100%)
|
Z. Hinterlandsicherungsmauer
|
6,77 (87%)
|
-
|
0,99 (13%)
|
7,76 (100%)
|
Z. Hinterlandsicherungszaun
|
15,49 (41%)
|
0,46 (1%)
|
21,72 (58%)
|
37,67 (100%)
|
Elektrischer Signalzaun
|
39,35 (34%)
|
3,69 (3%)
|
72,04 (63%)
|
115,08 (100%)
|
Z. Zwischensicherungsmauer
|
8,45 (13%)
|
3,63 (6%)
|
51,54 (81%)
|
63,62 (100%)
|
Hundezwinger
|
-
|
1,35 (9%)
|
14,17 (91%)
|
15,52 (100%)
|
Betonblöcke
|
2,08 (60%)
|
0,08 (2%)
|
1,31 (38%)
|
3,47 (100%)
|
Panzersperren (Tschechenigel)
|
-
|
-
|
1,86 (100%)
|
1,86 (100%)
|
Kolonnenweg
|
47,61 (27%)
|
4,15 (2%)
|
125,51 (71%)
|
177,27 (100%)
|
Lichttrasse
|
53,14 (27%)
|
6,77 (3%)
|
137,84 (70%)
|
197,75 (100%)
|
Graben
|
-
|
-
|
12,88 (100%)
|
12,88 (100%)
|
S-Bahntunnel
|
4,28 (100%)
|
-
|
-
|
4,28 (100%)
|
U-Bahntunnel
|
7,71 (100%)
|
-
|
-
|
7,71 (100%)
|
Gesamt
|
287,92
|
30,84
|
680,43
|
999,19
|
Tabelle
3 - Aufgenommene Objekte und ihre räumliche Verteilung (Quelle: eigene Analyse
auf Grundlage des erstellten Geoinformationssystems)
Typ
|
Berlin
(Ost) Anzahl
|
DDR/Berlin
Anzahl
|
DDR/Brandenburg
(Anzahl)
|
Gesamt
|
Führungsstelle
|
16
(16%)
|
1
(14%)
|
27
(17%)
|
44
(16%)
|
BT-11
Wachturm
|
1
(1%)
|
2
(29%)
|
72
(45%)
|
75
(28%)
|
BT-9
Wachturm
|
70
(72%)
|
2
(29%)
|
52
(32%)
|
124
(47%)
|
Nicht
zugeordnet
|
11
(11%)
|
2
(29%)
|
10
(6%)
|
23
(9%)
|
Gesamt
|
98 (100%)
|
7 (100%)
|
161 (100%)
|
266 (100%)
|
Tabelle
4 - Türme nach Lage und Anteil (Quelle: eigene Analyse auf Grundlage des
erstellten Geoinformationssystems)
5.4 Mauerweg, Maueropfer, Kurioses
Es
wurden weitere themenrelevante Informationen aufgenommen. Der Verlauf des
Mauerweges wurde aus Senatsquellen entnommen. Anhand der Biographien der
Maueropfer aus den Quellen der Gedenkstätte Berliner Mauer, wurde der Todesort
ermittelt und verortet, die Umstände aus den Biographien zusammengefasst und an
der entsprechenden Position mit HTML und KML hinterlegt.
5.5
Gedenkstätten und Museen
Die
Gedenkstätte Berliner Mauer stellte für das Projekt die Daten ihrer „Datenbank
der Deutschen Teilung“ zur Verfügung (vgl. Abb. 1). Die SQL-Datenbank wurde mit
MySQL-Admin bearbeitet. Dabei fiel auf, dass keine Fremdschlüssel verwendet
wurden. Diese stellen sicher, dass nur definierte Werte in die Tabellen
eingetragen werden können. Dadurch werden Redundanzen eliminiert und die
Konsistenz der Daten gesichert. Aufgrund der Struktur konnte auch kein
Logikbaum generiert werden um eine Übersicht über die Verknüpfungen der
Schlüssel untereinander zu erlangen. Die einzige Möglichkeit ein Kreuzprodukt
zu vermeiden bestand darin, die Gedenkorte aus der Adresstabelle auszulesen.
Hier waren jedoch fälschlicher Weise nur 99 der 121 Gedenkorte eingetragen. Da
in der Datenbank nicht nach etwas gesucht werden konnte, das fehlt, konnten die
fehlenden 14 nicht identifiziert werden. Es ist aber bekannt, dass unter
anderem die Stätte für Chris Gueffroy dazu gehört. Anhand der hinterlegten
Koordinaten wurden die Daten über ein Skript in KML exportiert, die
entsprechenden Informationen an den passenden Stellen in der KML-Struktur
eingefügt und die Lage anhand der Luftbilder gegebenenfalls korrigiert.
5.6
Administrative Grenzen 1919/20 und 1989/2001 / Austauschgebiete 1945 bis 1988
Aus
Altkarten und Onlinequellen wurde mit Hilfe von Arc2Earth in ArcGIS auf Basis der aktuellen Bezirksgrenzen der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Googles Luftbildern der Zustand der
Grenzen für 1989 erfasst. Zusätzlich wurden die Bezirks- und Stadtgrenzen mit
dem Stand 1919/1920 aufgenommen. Es wurden 173 Gebiete in und um Berlin erfasst,
die entweder heute bestehen oder ihre Zugehörigkeit zwischen 1920 und 2001
geändert haben. Alle 31 Austauschgebiete, die zwischen 1945 und 1988 entweder
an Berlin (West) angeschlossen oder abgetreten wurden, sind recherchiert und wurden
in die Applikation übertragen. Die Größte war mit 5,43 km² West-Staaken in
Spandau. Das Gebiet wurde 1945 vom britischen an den sowjetischen Sektor
Berlins übertragen. Obwohl im Westen der Stadt liegend, war es bis 1961 Teil von
Berlin (Ost) und kam dann zum Kreis Nauen der DDR. Im Jahr 1990 wurde es wieder
als Teil Spandaus eingemeindet. Die kleinsten Flächen bildeten dagegen mit 2.500
m² die Böttcherberg Exklaven Zehlendorfs. Diese drei Mikroexklaven wurden 1971
an die DDR abgetreten und sind heute Teil von Potsdam-Babelsberg.
Abbildung
4- Google Earth – Leipziger Platz 1989 (Für Druck farblich angepasst)
Abbildung
5- Google Earth – Leipziger Platz 2006 (Für Druck farblich angepasst)
6.
Ergebnis
Es
konnte ein auf Google-Daten angepasstes, vollständiges Modell der Mauer
erstellt werden. Eine Reihe von Alleinstellungsmerkmalen grenzt es gegenüber
existierenden Modellen ab. Zu nennen sind die verifizierten historischen
Luftbilder, die Bodenfotos der Grenztruppen und die aktuellen Vergleichsbilder,
die aus einer angenäherten Perspektive aufgenommen sind.
Alle
Daten wurden in ein Geoinformationssystem eingepflegt, dadurch kann erstmals das
Ausmaß der Grenzanlagen unabhängig von Angaben der Truppen der DDR quantitativ
beschrieben werden. Anhand des Vergleichs der Länge der Vorderland- zu Hinterlandsicherungsanlagen kann festgestellt werden, dass der
Verlauf der Anlagen innerhalb der Stadt eine komplexere Geometrie in Richtung
Westen aufwies als in Richtung Osten (vgl. Tab. 3). Im Außenbereich verhält es
sich umgekehrt. Für die Vorderlandsicherung ist das dadurch zu erklären, dass
die Außengrenze der Stadt wesentlich weniger komplex ist als die Bezirksgrenzen
im Inneren und dadurch die Gesamtlänge kürzer. Die Hinterlandsicherung folgte aber häufig der komplexen Siedlungsstruktur im Umland und war damit
länger. In der Innenstadt war sie kürzer, da häufig „nur“ Mauern zwischen Wohnhäusern
benötigt wurden oder die Mauern gerade verlief da Häuser entfernt wurden.
Es
ist festzuhalten, dass noch in den Jahren 1988 und 1989 massive Umbauten
entlang der Mauer durchgeführt wurden. Dies zeigt der Vergleich der Luftbilder
von 1989 und den Bodenfotos von 1988. Dazu zählen die Reduzierung von
Panzersperren (Tschechenigeln) und der fast
vollständige Austausch der alten BT-11 Türme in der Innenstadt durch neue BT-9
Türme. Im Umland waren 44% der Türme vom alten Typ, in der Innenstadt war es
nur 1% (vgl. Tab. 4). Die Präferenz bei der Sanierung lag deutlich bei den
innerstädtischen Anlagen, die 1989 fast vollständig abgeschlossen war. Die
Fokussierung bei den Sicherungsmaßnahmen auf die Innenstadt wird bei einer
Analyse der Flächen noch deutlicher. Der weitaus größte Teil der Fläche,
nämlich 89% des Grenzsystems, lagen im Umland, jedoch nur 66% der Türme. Dies
belegt den auf die Fläche gesehen wesentlich höheren Aufwand zum Bewachen der innerstädtischen
Grenze. Es fiel zudem auf, dass rund um Berlin hauptsächlich Führungsstellen
erhalten geblieben sind (4 von 44). Von der Masse der 124 neuen BT-9 Türme ist
im heutigen Berlin keiner im Original erhalten. Interessanterweise ist der
letzte der alten BT-11 Türme in der Innenstadt der einzig erhaltene dieser Art
der gesamten Berliner Mauer. Auch die Tatsache, dass zwar 89% des Grenzsystems
der Berliner Mauer außerhalb Berlins lagen, der Fokus der Erinnerungskultur
aber ausschließlich die Mauer durch die Innenstadt kennt, ist beachtenswert.
Die
Daten wurden mit der Google API in eine Webanwendung implementiert. In einer
HTML-Seite werden über Checkboxen eines Webinterfaces die Daten ebenenweise in den Anwendungscontainer geladen. Zur
besseren Nutzung auf mobilen Geräten (vgl. Abb. 6) sollen künftig die Kontrollelemente
auf ein selbsterklärendes Minimum reduziert und in KML die jeweiligen Namen der
Objekte hinterlegt werden, um dem Nutzer zu gestatten die Objekte durch
Anklicken zu identifizieren. Eine Legende wird so überflüssig. Die finale
Ausgestaltung der Oberfläche wird jedoch außerhalb des Forschungsprojektes stattfinden.
Die Daten stehen auch außerhalb der Webanwendung als KML-Datei zur Verwendung
in Google Earth (siehe Abbildung 1,2,4,5) zum Download bereit.
Abbildung
6- Mobile Anwendung
7.
Zusammenfassung
Das
historisch und touristisch wichtige Thema „Berliner Mauer“ konnte bezüglich
seiner räumlichen Dimensionen und Details erschlossen werden. Die Ausgangsdatenlage
stellte für das Projekt eine besondere Herausforderung dar. Bis auf wenige Spuren
in aktuellen Luftbildern standen wenig detaillierte oder unzureichend genaue
Grundlagen zur Verfügung. Neue Daten aus unterschiedlichen Quellen wurden
erschlossen. Indem alle verfügbaren Daten in einem GIS kombiniert und
verschnitten wurden, konnten neue Grundlagen zum Thema Berliner Mauer erzeugt
werden. Erstmals wurden Luftbilder des Mauerstreifen von 1989 auch um Berlin
(West) herum einbezogen, Fotomaterial der Grenztruppen der DDR gesichtet und aufbereitet
sowie aktuelle Vergleichsfotos hergestellt. Unter einbeziehen aller Daten
konnte ein vollständiges Modell der Mauer um den Westteil Berlins erzeugt und quantifizierte
Daten über das Ausmaß der Grenzanlagen gewonnen werden (vgl. Tab. 2 und 4). Die
Ergebnisse wurden in einer Webanwendung zwei- und dreidimensional visualisiert (vgl.
Abb. 1, 2, 4, 5, 6). Über Die Daten sind als Webanwendung und als KML-Datei für
Google Earth einem breiten Publikum zugänglich und können u. a. für
touristische und didaktische Zwecke genutzt werden. Durch Kooperationen, besonders
mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Senatskanzlei Berlin und der
Gedenkstätte Berliner Mauer konnten die Daten verifiziert werden.
8.
Ausblick
Die
Applikation wurde Mitgliedern der Senatsverwaltung und der Gedenkstätte
Berliner Mauer demonstriert und erweckte großes Interesse. Es wird erwogen das
amtliche Modell der Mauer durch das Ergebnis des Forschungsprojektes zu
ersetzen. Durch diese zentrale Position wäre ein sehr breites Publikum
angesprochen. Eine museale oder schulische Verwendung ist ebenfalls denkbar.
Das
Modell schafft eine Datengrundlage, die öffentlich und kostenlos verfügbar ist.
Es kann davon ausgegangen werden, dass auf Basis der Projektdaten weitere
Erkenntnisse gewonnen werden sowie weitere Applikationen angeregt und abgeleitet
werden.
Weiterhin
kann die Anwendung einen wichtigen Beitrag im geplanten „City-Monitoring“ des
Mauerstreifens leisten. Als Grundlage kann es jederzeit um weitere Zeitschnitte
ergänzt werden, z. B. im Jahr 2029 wieder im Abstand von 20 Jahren.
Literatur
[Goo 11a] http://www.google.de/intl/de/earth/download/ge/
[Ged 10] Gedenkstätte Berliner Mauer (2010): Die Todesopfer an der Berliner
Mauer 1961-1989. Forschungsprojektes des Zentrums für Zeithistorische Forschung
Potsdam und der Stiftung Berliner Mauer. Online: http://www.berliner-mauer-gedenkstaette.de/de/todesopfer-240.html (Stand 19.04.2011).
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