1989|BerlinerMauer|2011

Ein Online-Informationssystem des Berliner Mauerstreifens

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Idee Ende 2005
Vorbereitung seit Anfang 2007
Projektlaufzeit Ende 2009 bis Anfang 2011
Nachbereitung bis Ende 2013
Datenverlust Mitte 2014
Wiederherstellung Mitte 2015 bis Anfang 2017
Umzug auf anderen Server März 2020
Projektvorstellung
Aufnahmedatum 11. September 2013
Dauer 29 Minuten
Referent Bennet Schulte

 

 

Der Berliner Mauerstreifen im Wandel der Zeit


Bennet Schulte und Jürgen Schweikart
FB III / Labor für Geodatenanalyse und Visualisierung

 

Abstract deutsch (500 Zeichen mit Leerzeichen)

Die Mauer war bis 1989 das längste Bauwerk Berlins und ist heute im Stadtbild fast vollständig verschwunden. Im Kontext der Weltgeschichte weiterhin präsent, suchen viele nach Spuren: Besucher genauso wie die Berliner selbst. Dieses Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Situation von 1989 virtuell zu konservieren und mit der aktuellen Situation visuell vergleichbar zu machen. Dies wird mithilfe der Google Dienste Maps, Earth und Street View für eine breite Anwendergruppe erreicht.

 

Abstract englisch (500 Zeichen mit Leerzeichen)

Not only is the Berlin Wall interesting for tourists but it is also of general interest because of its function as a disappeared historic structure in the context of the history of the world. In order to compare the actual status of the former death strip with 1989 unique data was collected. A didactic and freely accessible online application was created. The data can be visualised using the Google services Maps, Earth and Street View. The collected data of 1989 and 2009 was visualised in order to reach a wider audience.

 

1. Einleitung

Der Verlauf der Mauer ist heute nur noch an wenigen Stellen des ehemaligen Grenz- und Sperrgebietes der DDR um das ehemalige Berlin (West) erkennbar. Das Forschungsprojekt will diesen nachvollziehbar machen und es ermöglichen, die Situation Ende der 80er Jahre mit der heutigen zu vergleichen. Mit der größten Nutzergruppe, außergewöhnlichen Webdiensten und Geodaten sowie dem größten Entwicklerteam auf dem Markt boten sich Lösungen auf Google-Basis als Plattform für das Forschungsprojekt an [Ree 11]. Sie sind zwar proprietär, aber verfügen über eine umfangreiche Programmierschnittstelle (API), performante Geodaten, sind kostenlos, nahezu ausfallsicher und werden ständig weiterentwickelt.

 

2. Beschreibung des Forschungsgegenstands und Ziels

Gegenstand der Forschung ist der Streifen der DDR-Grenzbefestigung um den Westteil Berlins der von 1961 bis 1989 bestand. Der sogenannte Berliner Mauerstreifen verlief auf dem Hoheitsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik, der bis 1949 sowjetisch besetzten Zone, sowie im sowjetischen Sektor an der Grenze zu den Berliner Sektoren der Westalliierten. Er verlief daher nicht nur durch Berlin, sondern auch um den westlichen Teil der Stadt (vgl. Abb. 1). Innerhalb des Forschungsprojektes wurde berechnet, dass das Grenzsystem eine Fläche von ca. 60 km² hatte. Forschungsziel war das Sammeln von Bild-, Geo- und Sachdaten, um den Zustand 1988/89 und 2009/10 aufzuarbeiten, zu konservieren und zu visualisieren. Durch einen weiteren Zeitschnitt, z. B. im Jahr 2029/30, könnte außerdem ein City-Monitoring des Arbeitsgebietes erstellt werden.

 

Es ist ein Ziel, dass ein möglichst großes Publikum kostenfrei über die gesammelten Daten verfügen kann. Zu diesem Zweck wurde eine didaktisch und touristisch aufgearbeitete Onlineanwendung auf Basis der Google Dienste Maps, Earth und Street View kreiert. Diese Technologie gestattet dreidimensionale Visualisierungen auf dem digitalen Globus Google Earth (vgl. Abb. 1), der in der kostenfreien Desktopapplikation zusätzlich mit Street View (vgl. Abb. 2) verfügbar ist. Als Browser-Plug-in erlaubt Earth 3D im Webbrowser, den freien Wechsel zum 2D-Kartendienstes Maps, und ist damit weitgehend unabhängig vom Betriebssystem auch auf mobilen Endgeräten verfügbar. Zudem können relativ aktuelle Geodaten in Form von Luft- und Satellitenbildern (2006), Straßendaten (2006), 360° Straßenpanoramen (2008), 3D-Stadtmodellen (2010) usw. sowie eine API von Google entgeltfrei verwendet werden. Mit Hilfe dieser API wurden die gesammelten Geodaten in eine steuerbare Anwendung implementiert und mit Google Geodaten verschnitten. Die implementierten Daten umfassten 1989er Luftbilder des Mauerstreifens, Bodenvergleichsfotos von 1988/89 und 2009/10, ein detailliertes 3D-Modell des Grenzsystems von 1989, Geodaten über die administrative Entwicklung Berlins, den Verlauf des heutigen Berliner Mauerweges, Informationen und Lage von Museen und Gedenkstätten aus der Datenbank der Gedenkstätte Berliner Mauer sowie die verorteten 136 Opfer der Berliner Mauer samt ihrer Geschichte. Diese Informationen unterstützen den didaktischen Nutzen und sollen Wissen mit modernen Onlinediensten vermitteln, konservieren und präsentieren. Innerhalb des Forschungszeitraums lagen wichtige Jährungen in Zusammenhang mit der Berliner Mauer. 2009 wurde das 20-jähige Jubiläum des Mauerfalls 1989 und 2010 das der Wiedervereinigung 1990 begangen. 2011 jährte sich der Mauerbau 1961 zum 50-igsten Mal.

 

1

 

Abbildung 1- Google Earth – Mauer um Berlin (West) (Für Druck farblich angepasst)

 

3. Kooperation/Präsentation/Fortbildung

Das Unternehmen 3D RealityMaps aus Potsdam ist Experte beim Modellieren von 3D-Modellen und Verwenden von Luftbildprodukten und unterstützte das Projekt mit seinem Wissen. Trotz eines Angebots des Unternehmens wurde ausschließlich der Arbeitsplatz in der Hochschule verwendet. Die Treffen fanden in Potsdam statt. Die Kommunikation erfolgte vorwiegend per E-Mail oder Telefon.

 

Das Projekt wurde 2010 auf der AGIT (Symposium und Fachmesse angewandte Geoinformatik) der Universität Salzburg vorgestellt und errang beim Posterwettbewerb den vierten Platz. Dasselbe Poster wurde auf dem 58. Deutschen Kartographentag 2010 präsentiert. Auf dem 48. Deutschen Historikertag 2010 zum Thema „Über Grenzen“ konnten weitere Erkenntnisse gewonnen und Kontakte zu Historikern hergestellt werden. Zudem wurde das Projekt mehrfach an der Beuth Hochschule präsentiert, unter anderem zum Hochschultag, dem Tag der offenen Tür, im Rahmen der Berichte der Forschungsprojekte und weiteren Veranstaltungen für Interessierte. Dabei wurde der didaktische Nutzen an einer Schulklasse erfolgreich erprobt. Die Schüler durften die Anwendung frei nutzen und selbst entdecken. Ihnen wurde ein Bogen mit Fragen zu bestimmten Fakten der Berliner Mauer beigegeben den es auszufüllen galt. Alle Schüler waren in der Lage, die Fragen durch die Nutzung der Anwendung richtig zu beantworten.

 

4. Genese der Forschungsprojektes

Die Basisidee des Forschungsprojektes entstand Ende 2005, als die erste veröffentlichte Beta Version von Google Earth getestet wurde. Auf den Luftbildern Berlins zeigten sich sichtbare Spuren in der Siedlungsstruktur, die auf den Mauerstreifen zurückzuführen waren. Mit dieser Erkenntnis wurde bereits damals begonnen den ehemaligen Verlauf der primären Vorder- und Hinterlandsperren mit Hilfe des Polyline-Werkzeugs zu digitalisieren. Ende 2007 wurde ein Projektantrag ausgearbeitet. Die Arbeit begann Anfang September 2009 und dauerte bis Ende Februar 2011. In der Zwischenzeit erschien mit dem Google Earth Browser Plug-in Mitte 2008 eine Möglichkeit die Daten dreidimensional im Webbrowser zu präsentieren. Durch Street View eröffnete sich Ende 2010 eine weitere räumliche Dimension. Da die 360° Straßenpanoramen über eine interne 3D-Oberfläche verfügen wurde es möglich, die 3D-Mauer innerhalb echter 360°Panoramen zu visualisieren.

 

Während der Laufzeit des Projektes veränderten sich die technischen Möglichkeiten. Die sich daraus ergebenden Chancen wurden ergriffen, indem die Projektziele stetig angepasst und um neue Plattformen erweitert wurden.

 

5. Elemente des Projektes

5.1 Vergleichsbilder

1084 Panoramen, die die Grenztruppen der DDR 1988 und 1989 entlang des Kolonnenweges des gesamten Mauerstreifens aus ca. 10 Metern Höhe aufgenommen hatten, sowie die Karte der Grenztruppe 1:5000 aus dem Jahr 1986 wurden durch das »Berliner Mauer-Archiv Hagen Koch« zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des Projektes war es nicht möglich für alle 1084 Aufnahmen Vergleichsfotos herzustellen. Es wurden 156 Standorte gewählt. Die Auswahl verfolgte das Ziel, den Mauerstreifen in regelmäßigen Abständen in Fotos abzubilden bei gleichzeitig relevantem oder ansprechendem Bildinhalt. Dadurch häufen sich die Bilder in der Innenstadt. Die Mauer in den siedlungsschwachen Randgebieten erwies sich eher als monoton. Hier verlief der Mauerstreifen über lange Strecken zwischen Feldern oder durch Wälder. Insgesamt wurden mit Unterstützung von Freunden und Kollegen bei 14 Touren rund 800 km in und um Berlin zurückgelegt und 2200 Fotos gemacht. Höhepunkt der Feldarbeit war die genehmigte Aufnahme von Vergleichsbildern vom Dach des Brandenburger Tores. Mittels Adobe Photoshop wurden die Fotos nachbereitet. Die originalen Aufnahmen wurden von Staub, Kratzern oder Haaren befreit. Die Auflösung und Graustufen wurden digital verbessert und weboptimiert als JPG-Dateien mit einer Auflösung von 500x250 Pixeln und einer Dateigröße von ca. 55 Kilobyte gespeichert. Für jeden Standort wurde dann eine KML-Datei erstellt, die die Koordinaten der Fotos, die dreidimensionale Kameraposition sowie einen geographischen Namen und die Blickrichtung beinhaltete. Die Kameraposition dient in Google Earth dazu, bei einem Doppelklick in die genaue Position der Aufnahme im virtuellen Raum zu schwenken (vgl. Abb. 2). Die 156 KML-Dateien wurden abschließend in eine Datei überführt.

 

2

 

Abbildung 2- Street View mit Vergleichsfotos

 

5.2 Luftbilder

Ein weiteres wichtiges Element bilden die Luftbilder eines Bildflugs vom April 1989 über Berlin (West). Diese Graustufen-Aufnahmen wurden durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zugänglich gemacht (vgl. Abb. 4 und 5). Es wurden alle Bilder ausgewählt, die den Mauerstreifen abdecken, sodass sie die technisch notwendige Mindestüberlappung erfüllen (vgl. Tab. 1).

Die Bilder zu verarbeiten war eine Herausforderung: Der Bildflug wies keinen stabilen Kurs auf, wodurch der Aufnahmewinkel häufig verkippte und sich die Bilder zum Teil nur um 10% überdeckten. Dadurch konnten nur wenige Verknüpfungspunkte zu Nachbarbildern verwendet werden. Für das Mosaikieren kam erschwerend hinzu, dass es sich nicht um einen kompakten Bildblock handelte, sondern um einen „Bildring“ mit etwa drei Kilometern Breite, der um einen 15 mal 21 Kilometer großen Freiraum angeordnet war. Mit Hilfe der ArcGIS Extension „Arc2Earth 3“ konnten hochaufgelöste Fernerkundungsprodukte von Google zum Georeferenzieren verwendet werden. Es wurden vom Aufnahmewinkel unabhängige und stabile Verknüpfungspunkte in Bodennähe in den Luftbildern gewählt. Besonders Kreuzungen, Zäune und Gewässer wurden auf ihre Lagestabilität der letzten 17 Jahre überprüft und verwendet. Der Vorteil der Google Daten als Referenz lag darin, dass diese zugleich einen Teil des Zielproduktes darstellen.

 

Für den Außenbereich wurden 70 Luftbilder in ERDAS Imagine mosaikiert. Damit die insgesamt 15 Gigabyte großen Luftbilder über das Internet übertragen werden können, wurde die Dateigröße massiv reduziert. Erreicht wurde dies durch Umwandeln der Daten in sogenannte „TileLayer“. Hierbei werden große Rasterdaten in verschiedene Auslösungsstufen zerlegt und für diese eine Kachelstruktur aus sehr vielen kleinen Rasterdateien erzeugt (vgl. Abb. 3). Es werden immer nur Kacheln übertragen, die notwendig sind, um den Ausschnitt in der Zoomstufe darzustellen, der vom Nutzer betrachtet wird [Pur 07] [Sam 10]. Mit Hilfe der OpenSource Software „MapTiler 1.0“ wurden 12 Auflösungsstufen erzeugt und diese, jeweils in Abhängigkeit von der Stufe in 2 - 2.000.000 PNG-Dateien zerlegt, die jeweils eine Auflösung von 256 x 256 Pixel aufweisen. Dazu wurden steuernde KML-Dateien in gleicher Anzahl erzeugt. Insgesamt wurden während einer Rechenzeit von je 96 Stunden pro Mosaik jeweils bis zu 4 Millionen Dateien mit einer Gesamtgröße von 25 Gigabyte erzeugt. Auf Grund der enormen Anzahl der Dateien dauerte der Transfer mittels FTP-Client zum Webserver mehrere Tage.

 

3

 

Abbildung 3 - TileLayer Funktion

 

 

Gebiet

Abdeckung

Berlin (West)

169 km²   (48,0%)

Berlin (Ost)

   62 km²   (17,5%)

DDR/Berlin [1]

  4,5 km²     (1,3%)

DDR/Brandenburg [2]

119 km²   (33,7%)

Gesamt

354 km²    (100%)

 

Tabelle 1 - Abdeckung und Anteil der 1989er Luftbilder (Quelle: eigene Analyse auf Grundlage des erstellten Geoinformationssystems)

 

5.3 Mauermodell

Ziel ist es, ein hochdetailliertes 3D-Modell der Berliner Mauer zu erstellen. Dazu sind zwei grundsätzliche Fragen zu beantworten. Erstens, welches Koordinatensystem ist zu benutzen und zweitens, welche Basisdaten können als Grundlage für ein Modell herangezogen werden, wenn das Bauwerk in großen Teilen selbst den Grenztruppen gegenüber geheim gehalten wurde?

 

In Berlin wird in kataster- bzw. vermessungstechnischer Hinsicht das Soldner-Koordinatensystem (Netz 88) genutzt. Jedoch war es wichtiger, das Koordinatensystem im Hinblick auf das Endprodukt, nämlich Googles System, auszuwählen. Google verwendet eine Mercator Projektion mit WGS84 Koordinaten. Dieses System wurde übernommen. Sowohl die Geometrie der Mauer, als auch die Luftbilder von 1989 wurden anhand den von Google genutzten Luftbildern georeferenziert. Es ist davon auszugehen, dass sie eine variierende und teilweise von der amtlichen Vermessung des Landes Berlin abweichende Lagegenauigkeit besitzen. Dies musste für das Modell in Kauf genommen werden, führt jedoch im Vergleich zu den amtlichen Geodaten des Landes Berlin zu Lageabweichungen.

 

Es überrascht nicht, dass der genaue Aufbau des Mauersystems selbst den Grenztruppen nicht vollständig enthüllt wurde. Im Jahr des Mauerbaus 1961 waren alleine in die Westberliner Exklave Steinstücken über 20 DDR-Grenzsoldaten geflüchtet. Unter den 136 Maueropfern waren auch Grenzsoldaten die von flüchtenden Kameraden erschossen wurden [Ged 10]. Selbst die als geheim geltende Karte der Grenztruppen der DDR im Maßstab 1:5000 war unpräzise. Dazu kommt, dass alle verfügbaren Versionen des Kartenwerks den Stand von 1986 aufwiesen. Durch Gebietstausche im Jahr 1988 und Modernisierung, z.B. dem Austausch der Wachtürme, hatten sich nach den Erkenntnissen im Forschungsprojekt sowohl Anzahl, Position wie auch der Grenzverlauf bis 1989 verändert.

 

Der Senat von Berlin verfügt zwar bereits über ein amtliches Mauermodell, dieses zeigte jedoch im Detailgrad Schwächen. Da das Modell zum damaligen und heutigen Luftbild passen muss wurde ein neues erstellt. Die neue Geometrie entspricht dem realen Verlauf der Sperranlagen und ist nicht generalisiert. Statt abstrahierter Daten in Form von Karten oder Zahlen dienten historische Luftbilder und Bodenfotos als Grundlagen. Diese Fotografien bildeten die Realität ab und sind verlässlich. Die Karte der Grenztruppen wurde beim Abgleich der Bilder und dem Erfassen nicht sichtbarer Grenzen, wie dem Sperrgebiet, verwendet (vgl. Tab. 2).

 

Alle Sperrelemente wurden auf der Grundlage der historischen Luftbilder mit ArcGIS digitalisiert und die Art der Anlage mit Hilfe der Bodenbilder und Karten bestimmt. Es wurden Vorder- und Hinterlandmauern bzw. -zäune, elektrische Signalzäune, Hundezwinger sowie zusätzliche Vorder- und Hinterlandbefestigungen erfasst (vgl. Tab. 3). Von den 266 identifizierten Wachtürmen wurden 243 anhand der Bodenfotos, oder ihres Schattenwurfs, den drei bekannten Typen zugeordnet. Diese Typen sind Führungsstellen, Beobachtungsturm Typ-11 (BT-11) und die diesen ab 1975 ersetzenden des Typs-9 (BT-9). Nicht zuordenbar waren 23, darunter Türme an Wasserkontrollpunkten, auf dem Speicher an der Oberbaumbrücke und versteckte in den Häusern an der Schwedter Straße (vgl. Tab. 4). Obwohl viele Bahnlinien das Grenzgebiet passierten, wurden lediglich die Transittunnel der S2, U6 und U8, die gesondert bewacht wurden, aufgenommen. Insgesamt wurden Elemente mit einer Länge von zirka 1000 km erfasst (vgl. Tab. 3).

 

Art

Berlin (Ost) Fläche in km²

DDR/Berlin Fläche in km²

DDR/Brandenburg Fläche in km²

Gesamtfläche in km²

Hinterlandsperrgebiet

3,63      (49%)

0,73      (74%)

41,30     (67%)

45,66     (66%)

Todesstreifen

3,00      (40%)

0,21      (21%)

11,25     (18%)

14,46     (21%)

Vorderland

0,81      (11%)

0,05        (5%)

8,65      (14%)

9,51      (14%)

Gesamt

7,44     (100%)

0,99     (100%)

61,20   (100%)

69,63   (100%)

 

Tabelle 2 - Flächen des Mauermodells (Quelle: eigene Analyse auf Grundlage des erstellten Geoinformationssystems)

 

Art

Berlin (Ost) Länge in km

DDR/Berlin Länge in km

DDR/Brandenburg Länge in km

Gesamtlänge in km

Vorderlandsicherungsmauer

37,54 (33%)

3,82 (3%)

73,70 (64%)

115,06 (100%)

Vorderlandsicherungsmauer XXL

0,16 (100%)

-

-

0,16 (100%)

Vorderlandsicherungszaun

13,09 (30%)

0,29 (1%)

29,77 (69%)

43,15 (100%)

Z. Vorderlandsicherungsmauer

3,34 (48%)

-

3,59 (52%)

6,93 (100%)

Z. Vorderlandsicherungszaun

1,94 (17%)

-

9,20 (83%)

11,14 (100%)

Hinterlandsicherungsmauer

45,58 (48%)

4,45 (5%)

43,87 (47%)

93,9 (100%)

Hinterlandsicherungszaun

0,01 (0,01%)

2,15 (2,6%)

80,44 (97,39%)

82,6 (100%)

Z. Hinterlandsicherungsmauer

6,77 (87%)

-

0,99 (13%)

7,76 (100%)

Z. Hinterlandsicherungszaun

15,49 (41%)

0,46 (1%)

21,72 (58%)

37,67 (100%)

Elektrischer Signalzaun

39,35 (34%)

3,69 (3%)

72,04 (63%)

115,08 (100%)

Z. Zwischensicherungsmauer

8,45 (13%)

3,63 (6%)

51,54 (81%)

63,62 (100%)

Hundezwinger

-

1,35 (9%)

14,17 (91%)

15,52 (100%)

Betonblöcke

2,08 (60%)

0,08 (2%)

1,31 (38%)

3,47 (100%)

Panzersperren (Tschechenigel)

-

-

1,86 (100%)

1,86 (100%)

Kolonnenweg

47,61 (27%)

4,15 (2%)

125,51 (71%)

177,27 (100%)

Lichttrasse

53,14 (27%)

6,77 (3%)

137,84 (70%)

197,75 (100%)

Graben

-

-

12,88 (100%)

12,88 (100%)

S-Bahntunnel

4,28 (100%)

-

-

4,28 (100%)

U-Bahntunnel

7,71 (100%)

-

-

7,71 (100%)

Gesamt

287,92

30,84

680,43

999,19

 

Tabelle 3 - Aufgenommene Objekte und ihre räumliche Verteilung (Quelle: eigene Analyse auf Grundlage des erstellten Geoinformationssystems)

 

Typ

Berlin (Ost) Anzahl

DDR/Berlin Anzahl

DDR/Brandenburg (Anzahl)

Gesamt

Führungsstelle

16 (16%)

1 (14%)

27 (17%)

44 (16%)

BT-11 Wachturm

1 (1%)

2 (29%)

72 (45%)

75 (28%)

BT-9 Wachturm

70 (72%)

2 (29%)

52 (32%)

124 (47%)

Nicht zugeordnet

11 (11%)

2 (29%)

10 (6%)

23 (9%)

Gesamt

98 (100%)

7 (100%)

161 (100%)

266 (100%)

 

Tabelle 4 - Türme nach Lage und Anteil (Quelle: eigene Analyse auf Grundlage des erstellten Geoinformationssystems)

 

5.4 Mauerweg, Maueropfer, Kurioses

Es wurden weitere themenrelevante Informationen aufgenommen. Der Verlauf des Mauerweges wurde aus Senatsquellen entnommen. Anhand der Biographien der Maueropfer aus den Quellen der Gedenkstätte Berliner Mauer, wurde der Todesort ermittelt und verortet, die Umstände aus den Biographien zusammengefasst und an der entsprechenden Position mit HTML und KML hinterlegt.

 

5.5 Gedenkstätten und Museen

Die Gedenkstätte Berliner Mauer stellte für das Projekt die Daten ihrer „Datenbank der Deutschen Teilung“ zur Verfügung (vgl. Abb. 1). Die SQL-Datenbank wurde mit MySQL-Admin bearbeitet. Dabei fiel auf, dass keine Fremdschlüssel verwendet wurden. Diese stellen sicher, dass nur definierte Werte in die Tabellen eingetragen werden können. Dadurch werden Redundanzen eliminiert und die Konsistenz der Daten gesichert. Aufgrund der Struktur konnte auch kein Logikbaum generiert werden um eine Übersicht über die Verknüpfungen der Schlüssel untereinander zu erlangen. Die einzige Möglichkeit ein Kreuzprodukt zu vermeiden bestand darin, die Gedenkorte aus der Adresstabelle auszulesen. Hier waren jedoch fälschlicher Weise nur 99 der 121 Gedenkorte eingetragen. Da in der Datenbank nicht nach etwas gesucht werden konnte, das fehlt, konnten die fehlenden 14 nicht identifiziert werden. Es ist aber bekannt, dass unter anderem die Stätte für Chris Gueffroy dazu gehört. Anhand der hinterlegten Koordinaten wurden die Daten über ein Skript in KML exportiert, die entsprechenden Informationen an den passenden Stellen in der KML-Struktur eingefügt und die Lage anhand der Luftbilder gegebenenfalls korrigiert.

 

5.6 Administrative Grenzen 1919/20 und 1989/2001 / Austauschgebiete 1945 bis 1988

Aus Altkarten und Onlinequellen wurde mit Hilfe von Arc2Earth in ArcGIS auf Basis der aktuellen Bezirksgrenzen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Googles Luftbildern der Zustand der Grenzen für 1989 erfasst. Zusätzlich wurden die Bezirks- und Stadtgrenzen mit dem Stand 1919/1920 aufgenommen. Es wurden 173 Gebiete in und um Berlin erfasst, die entweder heute bestehen oder ihre Zugehörigkeit zwischen 1920 und 2001 geändert haben. Alle 31 Austauschgebiete, die zwischen 1945 und 1988 entweder an Berlin (West) angeschlossen oder abgetreten wurden, sind recherchiert und wurden in die Applikation übertragen. Die Größte war mit 5,43 km² West-Staaken in Spandau. Das Gebiet wurde 1945 vom britischen an den sowjetischen Sektor Berlins übertragen. Obwohl im Westen der Stadt liegend, war es bis 1961 Teil von Berlin (Ost) und kam dann zum Kreis Nauen der DDR. Im Jahr 1990 wurde es wieder als Teil Spandaus eingemeindet. Die kleinsten Flächen bildeten dagegen mit 2.500 m² die Böttcherberg Exklaven Zehlendorfs. Diese drei Mikroexklaven wurden 1971 an die DDR abgetreten und sind heute Teil von Potsdam-Babelsberg.

 

4

 

Abbildung 4- Google Earth – Leipziger Platz 1989 (Für Druck farblich angepasst)

 

5

 

Abbildung 5- Google Earth – Leipziger Platz 2006 (Für Druck farblich angepasst)

 

 

 

 

6. Ergebnis

Es konnte ein auf Google-Daten angepasstes, vollständiges Modell der Mauer erstellt werden. Eine Reihe von Alleinstellungsmerkmalen grenzt es gegenüber existierenden Modellen ab. Zu nennen sind die verifizierten historischen Luftbilder, die Bodenfotos der Grenztruppen und die aktuellen Vergleichsbilder, die aus einer angenäherten Perspektive aufgenommen sind.

 

Alle Daten wurden in ein Geoinformationssystem eingepflegt, dadurch kann erstmals das Ausmaß der Grenzanlagen unabhängig von Angaben der Truppen der DDR quantitativ beschrieben werden. Anhand des Vergleichs der Länge der Vorderland- zu Hinterlandsicherungsanlagen kann festgestellt werden, dass der Verlauf der Anlagen innerhalb der Stadt eine komplexere Geometrie in Richtung Westen aufwies als in Richtung Osten (vgl. Tab. 3). Im Außenbereich verhält es sich umgekehrt. Für die Vorderlandsicherung ist das dadurch zu erklären, dass die Außengrenze der Stadt wesentlich weniger komplex ist als die Bezirksgrenzen im Inneren und dadurch die Gesamtlänge kürzer. Die Hinterlandsicherung folgte aber häufig der komplexen Siedlungsstruktur im Umland und war damit länger. In der Innenstadt war sie kürzer, da häufig „nur“ Mauern zwischen Wohnhäusern benötigt wurden oder die Mauern gerade verlief da Häuser entfernt wurden.

 

Es ist festzuhalten, dass noch in den Jahren 1988 und 1989 massive Umbauten entlang der Mauer durchgeführt wurden. Dies zeigt der Vergleich der Luftbilder von 1989 und den Bodenfotos von 1988. Dazu zählen die Reduzierung von Panzersperren (Tschechenigeln) und der fast vollständige Austausch der alten BT-11 Türme in der Innenstadt durch neue BT-9 Türme. Im Umland waren 44% der Türme vom alten Typ, in der Innenstadt war es nur 1% (vgl. Tab. 4). Die Präferenz bei der Sanierung lag deutlich bei den innerstädtischen Anlagen, die 1989 fast vollständig abgeschlossen war. Die Fokussierung bei den Sicherungsmaßnahmen auf die Innenstadt wird bei einer Analyse der Flächen noch deutlicher. Der weitaus größte Teil der Fläche, nämlich 89% des Grenzsystems, lagen im Umland, jedoch nur 66% der Türme. Dies belegt den auf die Fläche gesehen wesentlich höheren Aufwand zum Bewachen der innerstädtischen Grenze. Es fiel zudem auf, dass rund um Berlin hauptsächlich Führungsstellen erhalten geblieben sind (4 von 44). Von der Masse der 124 neuen BT-9 Türme ist im heutigen Berlin keiner im Original erhalten. Interessanterweise ist der letzte der alten BT-11 Türme in der Innenstadt der einzig erhaltene dieser Art der gesamten Berliner Mauer. Auch die Tatsache, dass zwar 89% des Grenzsystems der Berliner Mauer außerhalb Berlins lagen, der Fokus der Erinnerungskultur aber ausschließlich die Mauer durch die Innenstadt kennt, ist beachtenswert.

 

Die Daten wurden mit der Google API in eine Webanwendung implementiert. In einer HTML-Seite werden über Checkboxen eines Webinterfaces die Daten ebenenweise in den Anwendungscontainer geladen. Zur besseren Nutzung auf mobilen Geräten (vgl. Abb. 6) sollen künftig die Kontrollelemente auf ein selbsterklärendes Minimum reduziert und in KML die jeweiligen Namen der Objekte hinterlegt werden, um dem Nutzer zu gestatten die Objekte durch Anklicken zu identifizieren. Eine Legende wird so überflüssig. Die finale Ausgestaltung der Oberfläche wird jedoch außerhalb des Forschungsprojektes stattfinden. Die Daten stehen auch außerhalb der Webanwendung als KML-Datei zur Verwendung in Google Earth (siehe Abbildung 1,2,4,5) zum Download bereit.

 

6

 

Abbildung 6- Mobile Anwendung

 

7. Zusammenfassung

Das historisch und touristisch wichtige Thema „Berliner Mauer“ konnte bezüglich seiner räumlichen Dimensionen und Details erschlossen werden. Die Ausgangsdatenlage stellte für das Projekt eine besondere Herausforderung dar. Bis auf wenige Spuren in aktuellen Luftbildern standen wenig detaillierte oder unzureichend genaue Grundlagen zur Verfügung. Neue Daten aus unterschiedlichen Quellen wurden erschlossen. Indem alle verfügbaren Daten in einem GIS kombiniert und verschnitten wurden, konnten neue Grundlagen zum Thema Berliner Mauer erzeugt werden. Erstmals wurden Luftbilder des Mauerstreifen von 1989 auch um Berlin (West) herum einbezogen, Fotomaterial der Grenztruppen der DDR gesichtet und aufbereitet sowie aktuelle Vergleichsfotos hergestellt. Unter einbeziehen aller Daten konnte ein vollständiges Modell der Mauer um den Westteil Berlins erzeugt und quantifizierte Daten über das Ausmaß der Grenzanlagen gewonnen werden (vgl. Tab. 2 und 4). Die Ergebnisse wurden in einer Webanwendung zwei- und dreidimensional visualisiert (vgl. Abb. 1, 2, 4, 5, 6). Über Die Daten sind als Webanwendung und als KML-Datei für Google Earth einem breiten Publikum  zugänglich und können u. a. für touristische und didaktische Zwecke genutzt werden. Durch Kooperationen, besonders mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Senatskanzlei Berlin und der Gedenkstätte Berliner Mauer konnten die Daten verifiziert werden.

 

8. Ausblick

Die Applikation wurde Mitgliedern der Senatsverwaltung und der Gedenkstätte Berliner Mauer demonstriert und erweckte großes Interesse. Es wird erwogen das amtliche Modell der Mauer durch das Ergebnis des Forschungsprojektes zu ersetzen. Durch diese zentrale Position wäre ein sehr breites Publikum angesprochen. Eine museale oder schulische Verwendung ist ebenfalls denkbar.

 

Das Modell schafft eine Datengrundlage, die öffentlich und kostenlos verfügbar ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass auf Basis der Projektdaten weitere Erkenntnisse gewonnen werden sowie weitere Applikationen angeregt und abgeleitet werden.

 

Weiterhin kann die Anwendung einen wichtigen Beitrag im geplanten „City-Monitoring“ des Mauerstreifens leisten. Als Grundlage kann es jederzeit um weitere Zeitschnitte ergänzt werden, z. B. im Jahr 2029 wieder im Abstand von 20 Jahren.

 

 

Literatur

 

[Ree 11]           Van Rees, Eric (2011) Globalgeo and international Geomatic Week. – in: Geoinformatics, Volume 14, April/May 2011, S.24

[Goo 11a]         http://www.google.de/intl/de/earth/download/ge/

[Goo 11b]         http://code.google.com/intl/de-DE/apis/earth/faq.html#ossupport

[Pur 07]            Purvis, Michael, Sambells, Jeffrey; Turner, Cameron (2007): Google Maps Anwendungen mit PHP und Ajax. 1. Auflage. Mitp, Wien. S.182ff

[Sam 10]           Sample, John T.; Ioup, Elias (2010): Tile-Based Geospacial Informations Systems. Springer, New York. S. 28ff.

[Ged 10]           Gedenkstätte Berliner Mauer (2010): Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961-1989. Forschungsprojektes des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und der Stiftung Berliner Mauer. Online: http://www.berliner-mauer-gedenkstaette.de/de/todesopfer-240.html (Stand 19.04.2011).

 

 

[1] „DDR/Berlin“ bezeichnet das Gebiet „West-Staaken“, das 1971 bis 1990 nicht zu Berlin gehörte

[2] „DDR/Brandenburg“ bezeichnet das ehemalige Territorium der DDR um Berlin ohne West-Staaken

 

 

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